
Die Massai sind ein stolzes Hirtenvolk, das vor einigen Jahrhunderten aus dem nördlichen Afrika (Sudan) nach Ostafrika eingewandert sind. Einst zur Zeit der Kolonialisierung, waren die kriegerischen Massai der Schrecken für die damaligen ostafrikanischen Kolonialherren. Das nomadische Volk ist nördlich und südlich des Kilimandscharo im heutigen Kenia und Tansania beheimatet. Ihre riesigen Viehherden waren ihr stolzer Besitz. Milch, Blut und Fleisch im Überfluss waren ihre einzige Lebensgrundlage.
Doch anfangs letztes Jahrhundert vernichteten, durch Europäer eingeschleppte Rinderkrankheiten, einen grossen Teil ihrer stolzen Rinderherden. Auch heute werden die Viehbestände der Massai immer wieder von verschiedenen, auch eingeschleppten Rinderkrankheiten bedroht und die Massai sind teils auf veterinärmedizinische Hilfe durch verschiedene Organisationen angewiesen. Auch die weltweiten, meist nicht hausgemachten (!) klimatischen Veränderungen führen in ganz Ostafrika vermehrt zu Wassermangel und Dürrekatastrophen und schwächen den Gesundheitszustand ihrer Rinderherden. Früher konnten die Massai ungehindert zu allen möglichen, zum Teil weit entfernten Wasserreserven und Weidegründen ziehen. Doch die zunehmende Zersiedelung, Errichtung von Nationalparks und Schutzzonen durch die Regierung, sowie landwirtschaftliche Nutzung von ehemaligem Stammesgebiet durch andere Volksgruppen, verhindern heutzutage ein uneingeschränktes Umherziehen mit ihren Viehherden.
Das Bestreben der tansanischen Regierung, sowie internationaler Umweltschutzorganisationen, zur Errichtung von Wildschutzzonen im Siedlungsgebiet der Massai, wie z.B. die Schaffung des Ngorongoro Conversation Area vor mehr als 40 Jahren, garantieren den Massai einerseits „Freiheiten“ ihren alten Lebensformen treu bleiben zu können und anderseits von touristischen Einnahmequellen profitieren zu können und dürfen sicher als Teilerfolg gewertet werden. Doch vielfach werden die dort lebenden Massai in ihrer Freiheit zur Selbstbestimmung stark eingeschränkt und viele von ihnen fühlen sich unter den dort geltenden Schutzbestimmungen wie „ausgestellte Zootiere“.

Der enorme Tierreichtum Ostafrikas, speziell auch in der weltberühmten Serengeti, dem ehemaligen Siedlungsgebiet der Massai, ist zu einem sehr grossen Teil auf das jahrhunderte lange friedliche Zusammenleben der Massai mit den Wildtieren Ostafrikas zurückzuführen. Den Massai ist das Jagen fremd und sie nehmen auch aus kulturellen Gründen Abstand vom Verzehr von Wildtieren.
Das Nützen der Steppenlandschaft, einzig durch nomadische Viehzucht, hat sich grösstenteils über Jahrhunderte hinweg bewährt und zeigt sich auch im Vorhandensein einer vielfältigen Steppenflora, was Nahrungsgrundlage für alle möglichen Wildtiere bietet und zudem ungehindertes Umherziehen von grossen Wildtierpopulationen aus dem Nationalparks garantiert. Die Massai gelten deshalb nicht zu letzt, als indirekte Schützer und Wächter dieser Wildtierpopulationen ausserhalb der nationalen Schutzparks.

Durch das Viehsterben verursachten Hunger, werden die Massai immer mehr dazu gezwungen ihre traditionelle Lebensweise aufzugeben. Im Massailand ausserhalb des Ngorongoro Conservation Area wie z.B. auch im Simanjiro-Distrikt in der Manyara-Region in Tansania, verleitet der fruchtbare Steppenboden die Massai im Kampf gegen den Hunger und die Armut neue Wege zu beschreiten.
Der Anbau von Mais, Sojabohnen u.a. Feldfrüchten wird dank Unterstützung verschiedener Organisationen wie auch Getreideanbauunternehmen, zum Teil mit modernen Ackerbaumaschinen wie Traktoren intensiviert.
Wo nur wenige Generationen zuvor, die Massai einen Maisbrei verachtend ausgespuckt hatten, werden heute die jungen Massai im Kampf ums Überleben, dazu bewogen ihren geliebten Steppenboden mit dem Pflug zu bearbeiten.
Doch gerade die Intensivierung von Ackerbau in einer ehemaligen Steppenlandschaft, birgt auch manche Schattenseite. Das Ausbleiben von Regen führt zu Dürrekatastrophen, Missernten und Ernteausfällen; Hunger und Tod sind die bekannten Folgen. Plötzlich werden die heimischen, zuvor unbedrohlichen Wildtiere wie Elefanten, Wildschweine u.a. aus den nahe gelegenen Schutzparks zu „unerwünschten Räuber“ ihrer angelegten Mais- und Bohnenfelder.

Oder die gross angelegten Felder hindern zudem andere Wildtierpopulationen, wie Zebras und Gnus bei ihren natürlichen Wanderungen ausserhalb der Schutz- und Nationalparks. Beim Anlegen der Felder werden alte Steppenbäume gefällt, oder die Buschsavanne verfällt dem Rodungsfeuer und somit verschwindet auch die vielfältige natürliche Steppenflora mit fatalen Auswirkungen auf ganze Ökosysteme.
Zudem entstehen durch Ausbleiben von Regen gefährliche Sandstürme, oder spülen zu intensive Regenfälle die Oberflächenerde und den Sand der angelegten Felder in nahe gelegene, wasserführende Schluchten, wo ein herkömmliches Schöpfen und Graben nach natürlichen Wasservorräten, wegen diesem Treibsand erschwert, oder ganz verunmöglicht wird.
Neuesten Ideen von Regierung und Organisationen zu Folge, würde man die Massai ausserhalb der Ngorongoro Conservations Area, auch gerne mit ihren Viehbeständen in eine moderne landwirtschaftliche Nutzung nach „amerikanischen Modellen“ überführen wollen. Doch die Massai stehen solchen Projekten zu Recht sehr skeptisch gegenüber. Sie möchten nicht nur aus diesem Grund an ihrer traditionellen Lebensweise festhalten.
Schon seit der Kolonialisierung, und vor allem auch seit der Unabhängigkeit Tansanias und Kenias, versuchen auch verschiedene Religiöse Gruppierungen und Kirchen mit Einwilligung der Regierung zum Teil erfolgreich, im Massailand ihre Missionstätigkeit voranzutreiben. Wo vordergründig auch mit dem Bau von Brunnen, Schulen, Spitälern, Missionsstationen u.ä. Einrichtungen die Gunst und Anerkennung unter den Massai erwirkt wird, gibt es aber auch sehr fragwürdige Formen der Entwicklungshilfe, wobei die Massai auch immer wieder ihrer kulturellen Eigenart beraubt werden. Erschreckende Beispiele sind, wo nach Berichten der Massai, bis vor wenigen Jahren Missionare verschiedener religiöser Gruppen mit „eifrigem Missionsgeist“ nicht davor zurückschreckten, selbst uralte heilige Gebetsbäume der Massai zu fällen, um neu zu gewinnende Gläubige leichter in ihre aus Stein gebauten Gebetshäuser zu locken!! Oder religiöse Fanatiker wollen die Massaifrauen und Jungkrieger mit einschüchternden „Drohpredigten“ vom Tragen ihrer traditionellen Schmuckstücke abbringen. Kein Wunder fehlt da vielen Massai auch das Vertrauen. Und sie fühlen sich von den einstigen Missionarischen Hilfsorganisationen teils missverstanden und mit den eigens für die Massai errichteten, in der Zwischenzeit aber meist sanierungsbedürftigen Brunnen überfordert, oder ganz im Stich gelassen.
Das Recht auf Bildung ist ein Menschenrecht, und verschiedene Organisationen zusammen mit der Regierung von Tansania sind bestrebt, selbst in entlegenen Gebieten, auch den Kindern der Massai die Möglichkeit einer Grundschulbildung zu bieten. Nach wie vor ist es Praxis, das gerade jungen Mädchen aus einer traditionellen Massaifamilie dieses Recht auf Schulbildung verwehrt wird, weil vielleicht das Geld für Schulkleidung fehlt, oder diese Investition dann lieber einem Jungen, statt einem Mädchen aus ihrer Boma zu Teil werden soll. Gerade durch die Schulbildung junger Massaifrauen, erhoffen sich aber viele Menschenrechts- und Frauenrechtsorganisationen auch einen förderlichen Dialog bezüglich Frauenbeschneidung (Genitalverstümmelung), um dieses „frauenverachtende“ traditionelle Ritual, wie es auch unter den Massaifrauen praktiziert wird, endlich abzuschaffen!

Doch vieles, was den Massaikindern in den Schulen neben Lesen und Schreiben beigebracht wird, muss auch hinterfragt werden und ist von geringem Nutzen für ihr Überleben in der Wildnis. Wenn die von den Organisationen geförderten Schulen, einzig Sprungbrett für ein „angepasstes, wenn nicht gar städtisches Leben mit Transistorradio u. Mobiltelefon“ sein soll, und die Massaikinder nicht mehr lernen können, was ihnen die Natur sonst alles zum Überleben bietet, so können die Auswirkungen dieser Schulbildung ebenso fatal, wenn nicht gar ganz kontraproduktiv für ihr späteres Überleben sein.
Seit Tansania und Kenia ihre Handelsbeziehungen zur westlichen Welt intensiviert haben, werden diese Länder auch zusehens mit industriellen Produkten aus dem „westlichen Paradies“ überschwemmt. Gerade in städtischen Siedlungen, aber auch vermehrt in ländlichen Gegenden, zeigen sich diese Auswirkungen auch anhand tagtäglich wachsender Abfallberge. Was vor 20 Jahren noch kaum der Fall war; so trifft man heute fast überall auf enorme Mengen an herumliegenden Abfällen, wie Plastiksäcke, Petflaschen und andere Kunststoffteile. Auch im Massailand trifft man sie plötzlich an! Weggeworfene Blechdosen; Petflaschen und eben diese „herumfliegenden, ausgedienten“ Plastikbeutel! Die Massai kennen die verheerenden Folgen aus eigener Erfahrung, wenn eines ihrer Ziegen, oder ein Rind plötzlich ein solches, vielleicht auch vom Wind verfrachtetes Plastikstück in das Maul bekommt! Während das arme Tier nach Luft ringt, muss man schnell handeln, es von diesem, ihm die Atemwege verstopfende Abfallstück zu befreien! Viele importierte moderne Verpackungsmaterialien müssen zumindest konsequent eingesammelt und lokal „entsorgt“ werden, in der Hoffnung dass zuständige Behörden wenigstens bald in den grösseren Städten die nötigen Abfallentsorgungskonzepte hierfür schaffen! Doch sind Regierung und Organisationen mit dem Lösen weit prioritäreren Problemen, wie z.B. AIDS, Malaria und Hungerkatastrophen voll umfänglich beschäftigt, und wenn nicht gar ebenso überfordert damit. Da hilft es nur durch Sensibilisierung und Schulung der Bevölkerung, auch in punkto Abfallentsorgung für mehr Eigenverantwortung zu appellieren.

Die einseitige Förderung und der Bau von Spitälern im Massailand, mit meist nur schulmedizinischen Angeboten an Heilverfahren, ebenso das einseitige Verbreiten von pharmazeutischen Medikamenten, mit all den uns bekannten Nebenwirkungen, sind auch für die Massai nicht immer nur ein Segen!
Die Massai sind traditionell ihren Naturheilmittel und Heilpflanzen verbunden und verfügen selber über ein enormes Wissen über viele einheimische Heilpflanzen und deren Anwendung, was auch in der westlichen Welt zunehmend auf Interesse stösst.
Also packen es wir an, uns gegenseitig zu helfen, solange es noch nicht zu spät ist für die Massai – aber auch nicht zu spät für uns.